Peter Burkhart
Mister Magirus
Mein Vater schaffte seit Ende des Krieges bei Magirus, und mein Onkel war als selbstständiger Fuhrunternehmer mit einem Magirus unterwegs. Es war ein S3500, ähnlich wie die, auf den hier abgebildeten Fotos, mit dem er Waren aller Art von Ulm aus über die schwäbische Alb bis zum Bodensee verteilte. Bereits im Kindergartenalter durfte ich mitfahren, das war für mich das Höchste. Nun war ich auch ein Kapitän der Landstraße, und träumte selbst einmal mit einem Magirus auf große Fahrt zu gehen.
Selbstverständlich rückte alles andere in den Hintergrund, Magirus war mein Ding. Mit mir war es geschehen, ich war befallen und infiziert vom Lastwagen- und Magirus-Virus. Dieser Virus ist Gott sei Dank nicht heilbar und hat mich nicht mehr verlassen. Und in den vielen Jahren, bis heute, konnte ich viele Gleichgesinnte mit diesem Virus infizieren.
(Text: Peter Burkhart)
Beschreibung zu den 4 Magirus S3500 auf den Fotos links und rechts!
Diese Magirus S3500 waren Kandidaten bei einem „Zuverlässigkeit-Test“ der Fachzeitschrift:
„Das NFZ“ Ausgabe 9 von 1952, mit dem Titel:
„12 Fragen richteten wir an bewährte Magirus Fahrer“
Untersucht wurden 51 Magirus S3500 aus der Produktionszeit 1948 und 1949. Bei einer vierzehntägigen Reise durch das gesamte Bundesgebiet wurden Fuhrparkleiter und Fahrer befragt. Im besonderen Interesse waren die S3500 mit Fahrleistungen von 280.000 bis 300.000 km. Dabei wurde das größte Augenmerk auf die Erfahrung mit dem luftgekühlten Motor gelegt,
Hier eine Positive vom Unternehmer Fuchs, Inhaber einer Speditionsfirma in Düsseldorf: „Wir sind froh, dass wir unsere beiden Magirus im Winter im Freien stehen lassen können, während die anderen Fahrzeuge in die Halle gebracht werden müssen. Das im Winter täglich notwendige Ablassen des Kühlwassers und wieder auffüllen, kostet pro Tag eine halbe Stunde Arbeitszeit, die beim S3500 wegfällt“.
Als weiterer Grund wurde immer wieder die schnelle und leichte Reparaturmöglichkeit angeführt, da es nicht notwendig ist, Wasserleitungen und Schlauchverbindung zu lösen und auch Störungen durch Wasserverlust nicht vorkommen können.
Die Lehrwerkstatt war im 2. und 3. Stock eines Gebäudes, in dem im Untergeschoss die Schmiede, und die Wäscherei für die Arbeitskleidung untergebracht waren. Ausgestattet war die Lehrwerkstatt mit hoch qualifizierten Meistern die in einer Dreherei, Fräserei, Schmiede, Schweißerei, und weiteren Räumen ihr Wissen und Können an uns weitergaben. In Ulm, und um Ulm herum wusste man genau, bei Magirus kannst du eine Menge lernen. Und darum waren es auch ca. 70 gewerbliche Lehrlinge in einem Jahr, die einen dieser begehrten Ausbildungsplätze ergattern konnten. Im Angebot waren 10 verschiedene gewerbliche Berufe wie:
Dreher, Elektriker-Starkstrom, Elektriker-Kfz, Fräser, Mechaniker, Schmiede, Schweißer und Technische-Zeichner, die Lehrzeit bei diesen Berufen betrug 3,5 Jahre.
Zusätzlich zu den gewerblichen gab es noch die kaufmännischen Lehrlinge, die aber an anderer Stelle ausgebildet wurden.
Bei Magirus war klar, bei der Gesellenprüfung müssen die Stifte von Magirus die Besten sein, nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Theorie. Stifte nannte man zu dieser Zeit noch die Lehrlinge, die später Auszubildende genannt werden mussten. Nichts wurde dem Zufall überlassen, im 4. Stock unseres Gebäudes waren Klassenräume, in denen wir zusätzlich zum Berufsschulunterricht, 2 Mal in der Woche, von ehemaligen Lehrmeistern, theoretisch unterrichtet wurden. In der Berufsschule hatten wir Magirus Stifte ebenfalls einen Vorteil, es gab Klassen nur für uns. Damit war klar, Magirus Stifte waren immer die Besten bei der Gesellenprüfung. Magirus war von Anfang an immer sehr sozial eingestellt, so waren Löhne und Zuwendungen immer großzügiger als bei anderen Arbeitgebern. Zum Beispiel wurde die Arbeitskleidung gestellt und in der eigenen Wäscherei
Neben weiteren Vergünstigungen bekamen wir Lehrlinge wöchentlich kostenlosen Schwimmunterricht im Ulmer Stadt- oder Freibad. Dies war ein besonderes Anliegen vom Vorstand Herrn Kosegarten, dessen Sohn, weil er nicht schwimmen konnte, ertrunken war.
Mitarbeiter mit einem körperlichen Handicap wurden nicht einfach abgeschoben, sondern wurden in einer besonderen Werkstatt die „Altenwerkstatt“ genannt wurde, bis zu ihrer Rente weiterbeschäftigt. Im 1. Stock unseres Gebäudes drehten, stanzten und fertigten sie Kleinteile für die Produktion.
1974 legte ich meine Gesellenprüfung selbstverständlich erfolgreich ab und freute mich auf meine neuen Aufgaben bei Magirus.
(Text: Peter Burkhart)
Ich hatte ganz besonders viel Glück, der Meister aus dem Versuch suchte mich und 9 weitere Kollegen für die Mitarbeit im Versuch aus, das war ein besonderer Privileg, und hohe Wertschätzung gegenüber dem Mitarbeiter. Der Versuch war zu dieser Zeit im Werk II.
Die Neuen mussten als Erstes alle Abteilungen des Versuchs durchlaufen. Datenblatt für alle
Zeta Magirus Kastenwagen.
Für mich begann das 1. Jahr im Musterbau, hier baute ich die Prototypen der neu entwickelten Fahrzeuge von der Rahmenauflage bis zum kompletten Lastwagen. Ich lernte, mit allen Fahrzeugbauteilen umzugehen und diese auch zu beherrschen. Die Prototypen wurden anschließend im Versuch ergiebig erprobt und getestet, bis sie fit waren für die Serienfertigung.
Zusätzlich zu der intensiven Einarbeitung im Versuch besuchten wir technische Fachlehrgänge in der hauseigenen Kundendienstschule in Neu-Ulm, um 100 % gewappnet zu sein, für zukünftige Einsätze im Ausland. Ob diese Maßnahmen auch erfolgreich waren, mussten wir zum Schluss durch ablegen einer Prüfung auch beweisen.
Sehnsüchtig fieberte ich auch meinem 21. Geburtstag entgegen, nicht wegen der Volljährigkeit, aber jetzt konnte ich endlich den LKW Führerschein machen. Bereits vor dem Geburtstag ging es los. Magirus finanzierte den LKW-Führerschein und die Berechtigung für das Führen eines Omnibusses. Die Ausbildung erfolgte bei Fahrschule Walter, die den Fahrschul-LKW von der Fahrschule Wagner ausleihen musste. Es war ein betagter Rundhauber Magirus
Als im Lappen (Volksmund für Führerschein) dann endlich die Berechtigung für die Klasse 2 eingetragen war, ging es auch bald los. Allerdings noch nicht allein, denn ich musste das Lastwagenfahren erst einmal richtig lernen. Von der Pike auf lernte ich es nun von erfahrenen Testfahrern. Wir fuhren auf Autobahnen und Landstraßen, in der Stadt, im schweren Gelände und bei Eis und Schnee, auf dem Testgelände, mit Anhänger und schwer beladen, bis an die physikalische Grenze der Naturgesetze.
Der erste Auftrag nach der Einweisung war die Erprobung eines bereits in die Jahre gekommenen Kippers vom Typ 150D15K, mit einem Kipperaufbau aus Kuwait, auf dem Magirus-Testgelände in Markbronn. (Text: Peter Burkhart)